133, Tangopolizei
Wenn Tango tanzen verfolgt wird.
Dieser Tagebucheintrag wurde als Newsletter verschickt am 13.08.2020
Corona polarisiert, das hat wohl jeder schon in seiner Umgebung beobachten können und auch Tango polarisiert, wobei hier nicht zwischen Leugnern und Panikern unterschieden wird, sondern maximal zwischen Troilorianern und Pugliesisten. Besonders in den letzten Tagen wurden die Fragen „Was ist erlaubt?“ und „Was ist moralisch vertretbar?“ auch in der Wiener Tangoszene mehr oder weniger intensiv diskutiert.
Die unterschiedlichsten Herangehensweisen und Betrachtungen von der Problematik ob und in welcher Form Milongas möglich sind. Die eine Seite meint, die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering und es sind sich alle Beteiligten des Risikos bewusst. Die andere meint, dass es gesellschaftlich untragbar ist, da man auf der Milonga automatisch zum Super Spreader wird und der Cluster “Tango“ nur eine Frage der Zeit sei.
Es ist eine schwierige Frage, es gibt fast unzählbare Variablen, die mit eingerechnet werden müssen, von der möglichen finanziellen Abhängigkeit der Milonga-Betreibern, bis zur Tatsache, dass die Rahmenbedingungen der Milonga das denkbar Beste für den/das Corona Virus, bis zur Freiheit des Einzelnen, denn ein Freund der Verbote war ich noch nie.
Und ehrlich gesagt, bin ich mir selbst unsicher, wie ich dazu stehe und weit entfernt anderen eine Handlungsanweisung geben zu können. Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten.
Meine Frau (Noémi, kennst Du wahrscheinlich eh) und ich waren seit Corona noch auf keiner Milonga, weil es einerseits eine nicht unstressige Zeit mit Umzug und Hochzeit für uns war, und bisher die Vorsicht überwog. Da wir an fast jeden Tag der Woche Tango unterrichten, ob in Gruppenkursen oder Privatstunden, versuchen wir die Privatkontakte zu minimieren (außer meine Spielgruppe, denn ohne Spielen wäre das Leben ja sinnlos, aber darauf habe ich mich mit mir ja eh schon geeinigt). So wollen wir in keine Richtung als Virus-Träger agieren, aber wer will das schon? Eh klar, am Wenigsten will ich unsere Tangoschüler und Newsletter-Abonnenten anstecken. Die sind mir die Wichtigsten (es warat wegen der Öffnungsrate, denn zwischen der und meinem Wohlbefinden besteht eine starke Korrelation, um nicht zu sagen Kausalität).
Dieses Wochenende wollten wir uns nun unsere erste Milonga wagen und dann ist uns eingefallen, dass wir ja nächstes Wochenende auf einer Hochzeit eingeladen sind und da hat´s schon Sinn vor dieser Großveranstaltung ein bisschen Social Distancing zu üben. Nicht, dass unser Hochzeitsgeschenk Covid ist. Aber wenn wir zurückkommen von der Hochzeit, sollten wir dann nicht auch die nächsten zehn Tage auf keine Milonga gehen?
Wie lange kann man überhaupt Tango unterrichten, ohne regelmäßig auf eine Milonga zu gehen? Denn obwohl ich eh am liebsten mit meiner Frau tanze (hehe), ist doch der Partnerwechsel essenziell zum Gesamtgenuss des Tangos und mir geht dieser schon einfach ab.
Naja, über diese und weitere Fragen werde ich mir nun also den Kopf zerbrechen müssen. Außer die Tangopolizei kommt mir zuvor und erklärt, warum ich wie zu handeln habe. Denn auch wenn der Beruf des Tangopolizisten noch nicht sehr weit verbreitet ist, berufen fühlen sich dann mehr Leute als man denkt.
Wie siehst Du, die angesprochenen Fragen? Freue mich über Deine Sicht der Dinge.
Foto der Woche: „Man muss das Leben tanzen.“
Ja, auf solche Wahrheiten kann man während seines Urlaubes antreffen! Ob das Friedrich Nietzsche wirklich gesagt hat, habe ich nicht mehr nachgeprüft. Aber warum auch? Die Rosenberger Raststation kurz nach der slowenischen Grenze wird das schon gemacht haben.
Zur Erinnerung unsere Kurse laufen noch bis Ende August, ab Mitte September beginnen dann die Neuen. Wie immer, alle Infos auf: www.tangomango.at. Freuen uns auf Dich!
Bis ganz bald!
Abrazo diplomático
M
PS: Sehr interessante Artikel zu Tango und Corona und wie es mit dem Tango weitergehen kann, findest Du in der aktuellen Tangodanza. Man muss nicht mit allen übereinstimmen und doch regen die Texte zum Nachdenken an. Und Nachdenken ist etwas, was ich sonst eigentlich nicht so gerne mache. Kann ich also nur schwer empfehlen: das Nachdenken und die Tangodanza.